Wer ist der Richtige?

Irgendwo auf der Welt. Personalabteilung eines KMU mit 100 MitarbeiterInnen, die gerade die besten 3 Bewerberinnen für das erste Vorstellungsgespräch aus einer Anzahl von 20 Bewerbungsunterlagen „herausfiltert“.

Mögliche Konventionen (intern) – pure Vorurteile :

  1. Die Qualifikationen dieser Bewerberin entsprechen unseren #Anforderungen, aber wir sagen dieser Dame trotzdem ab, weil sie in so einem Alter ist, wo sie vielleicht bald Mama sein könnte…
  2. Dem Herrn sagen wir ab: er wohnt so weit von der Firma weg und studiert noch nebenbei? Oh Gott, er wird nicht viel Zeit für die Arbeit haben können…
  3. Diesen Bewerber kennt doch meine Cousine. Ihm wurde von seinem ehem. Arbeitgeber gekündigt. Also, der kann nicht gut gewesen sein! Den nehmen wir nicht!
  4. Ihn? Nein! Nur seit 3 Jahren ist er bei uns. Er hat noch keine Rot-Weiß-Rot Karte in Österreich! Kann er deutsch gut sprechen? Den würde ich nicht einladen, wenn das nicht sein muss…
  5. OMG! Das Studium dieser Dame hat insgesamt 10 Jahre lang gedauert! Wieso trödelte sie so lang? Hat sie jegliche Prüfungen 2-3 Mal wiederholen müssen?

Ist der beste Bewerber immer der Traumkandidat? Kann der Zweit- oder gar Drittbeste nie der Traumkandidat gewesen sein?

Wer ist der Richtige?

Bezogen auf das Recruiting bin ich zutiefst überzeugt, dass es hier ein Vorurteil gegen Bewerber*innen gibt. Viele Unternehmen montieren schnell die mangelnde Qualität statt deren eigene Erwartungshaltung realistisch zu reflektieren.

Das kontinuierliche Streben nach den Maximalerwaltungen wurde längst in der Welt des Recruitings zum unreflektierten Standard. Nicht selten werden die daraus resultierenden Hoffnungen auch maximal enttäuscht 😞. Ein auf den ersten Blick nicht so ganz perfekt erscheinender (hochqualifizierter) Bewerber kann sich oftmals später als richtiges Machting für Unternehmen erweisen. Oftmals stellt man im Nachhinein so fest: Der vermeintliche Traumkandidat, also „Liebe auf den ersten Blick“ ist nicht immer der Passende.

Wenn es sich dabei nur um die falsche Personalauswahl handelt, ist es doch noch nicht der Weltuntergang. Denn Recruiter*innen sind ja auch keine Hellseher*innen oder Kartenleger*innen. Spätestens jedoch, wenn folgendes geschieht, beendet in den meisten Fällen das zarte Band, das Bewerber*in nen gerade erst mal zu einem Unternehmen geknüpft hat: Eine mehr als lapidare Absage! Verloren hat das Unternehmen einen hochqualifizierten Interessenten mit wertvollen Potenzial, der vielleicht zum späteren Zeitpunkt, also als wahre Liebe auf den zweiten Blick,
das Unternehmen bereichern wird – so verrückt es auch klingen mag, so passiert es aber jeden Tag.

Liegt es lediglich nur an Personalabteilung oder Recruiter? Auf keinem Fall! Auch wenn in der Personalabteilung Experten agieren, die oftmals bemüht ihr Bestes zu geben,stecke sie ja im Unternehmen häufig in einem Dilemma. Denn die Auswahlentscheidungen werden beinahe von Abteilungsleiter*innen getroffen. Welchen Stellenwert soll die HR-Abteilung wirklich besitzen? Nur mehr wunschsgemäß nach stereotypen Kriterien zu gestalten und als reiner Erfüllungsgehilfe zu degradieren?

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Verstehen wir Generation Z?

Nora (24) und Timo (26) sind in Graz im Urlaub. 12:00 Uhr. Sie sitzen in einem Chic-Restaurant. Sie bestellen und das köstlich-aussehende Essen kommt. Was tun sie? Natütlich essen! Oder? Falsch! Sie halten diesen Moment fest! Das ist ein Ort mit passender Instagramability. Sie machen Fotos mit Smartphones und laden sie unverzöglich auf Instagram hoch. Es wäre fatal, diesen Moment auszulassen und nicht für ihre Eigenvermarktung zu nutzen! Das Essen auf dem Tisch ist nun kalt. Nicht so schlimm, immerhin 280 Likes.

Ja, das ist unsere Generation Z oder Generation Social-Media-Natives, die nicht mehr in das Bild vieler Generation X und Y passt. Sie tickt als Arbeitnehmer völlig anders als ihre Vorgängergenerationen. Während die Generation Y bereits komplett im Arbeitsmarkt angekommen ist rückt gerade ein Teil der Generation Z nach. In etwa 10 Jahren würde der Großteil der Generation X bereits ihre Pension genießen und der Großteil der Positionen im Management werden von der Generation Y bekleidet.

Das Hineinfühlen und Verstehen in die Generation Z ist die Basis erfolgreicher HR-Arbeit und Führung für die nächsten 10 bis 20 Jahre. Die Generation Z wird stark vom demographischen Wandel profitieren, weil viele Stellen zukünftig frei sein werden für verhältnismäßig wenige Jugendlichen. Viele Unternehmen bewegen einerseits noch in sehr starren und ziemlich veralteten Strukturen sowie Denkweisen, andererseits beschweren sie sich über Fachkräftmangel. Es ist sinnvoller, folgende Fragen zu beantworten und die passenden Antworten wären schon die Lösungsansätze für ein Employer Branding-Konzept:

  • Haben wir eine klare Botschaft formuliert, um die gewünschte Zielgruppe zur richtigen Zeit anzusprechen?
  • Sind wir genug schnell im Rahmen des Bewerbungsprozesses?
  • Lassen wir Bewerber*iinen, vor allem Bewerber*innen aus der Generation Z oftmals dreimal zum Vorstellungsgespräch kommen?
  • Behandeln wir selbst die schlechtesten Bewerber*innen gut?
  • Sind unsere Führungskräfte selbst digital kompetent genug?
  • Kennen wir als Arbeitgeber das Vokabular der Generation Z?

Gibt es wirklich Fachkräftemangel?

Fachkräftemangel ist seit vielen Jahren in aller Munde. Viele KMU glauben, dass ohne massenweise Bewerbungen für eine Stelle selbstverständlich ein Mangel herrscht. Zu Recht? Nur bedingt! Denn, wenn man nur zwei Bewerbungen auf eine Stelle bekommt und beide erscheinen passend, ist das doch bereits eine gute Auswahl mit 100% Trefferquote. Im Zweifelsfall warten sie lieber so lange bis 10-20 Bewerbungen erst eingegangen sind und dann identifizieren sie daraus mit wesentlich mehr Arbeit. Letztendlich landet man ja bei derselben Anzahl von Kandidaten zur Auswahl. Alle abzusagenden Bewerber*innen dürfen ja in der Zwischenzeit zwei- oder dreimal den Vollmond erleben und bekommen schlussendlich eine standardisierte Absagemail. Diese Erlebnisse teilen die betroffenen Bewerber*innen mit ziemlicher Sicherheit mit – sei es im Familien- oder Freundeskreis, in der Plattform wie Kununu. Also das Erlebte wird ganz bestimmt weitergegeben!

So gewinnst du Toptalente und hältst du deine besten Mitarbeiter!

Über Fluktuation und die damit verbundenen (versteckten) Kosten habe ich bereits am 29.09.2020 einen Beitrag veröffentlicht (Link dazu: Fluktuationskosten sind gewinnvernichtend). Als Leser hast du ja dort bereits erfahren, wie viel Geld eine Fluktuation deiner Firma (zumindest ansatzweise) kosten würde. Falls die Fluktuation der einzige Kostenfator wäre, wäre es nicht so schlimm. Was viel schlimmer ist: wenn jemand deine Firma verlässt, nimmt er dadurch nicht nur wertvolles Wissen mit, sondern erzählt er auch anderen davon, warum er gegen deine Firma entschieden und schlussendlich gekündigt hat. Uups! Dieser drohende Imageschaden ist keinesfalls für einen zielgerichteten Aufbau und/oder einen nachhaltigen Ausbau deines Employer Brandings vorteilhaft! Als Schlussfolgerung lässt sich daraus ziehen, dass es sich fast immer lohnt, in Mitarbeiterbindung zu investieren, die das Hauptziel hat, deine Mitarbeiter zu Fans deiner Firma zu machen, die sich mit deiner Firma langfristig identifizieren. Du denkst, es ist ein fantastisches Ziel, das du dir nur wünschen kannst? :-)) Nein! In diesem Beitrag zeige ich dir, wie es gelingen kann, engagierte und motivierte Mitarbeiter langfristig an deine Firma zu binden.

Reagierst du auf Kündigungen nach dem Motto „Reisende soll man nicht aufhalten“ mehr oder weniger gleichgültig? Bitte glaub mir: aus unternehmerischer Sicht ist dabei wohl keine Floskel so gefährlich wie diese! Nicht aufhalten? Im Gegenteil: die (potenziellen) Leistungsträger musst du aufhalten! Und zwar mit allen möglichen Mitteln! Denn Fluktuation vernichtet latent den Gewinn deiner Firma! Wer sich seiner Firma verbunden fühlt, ist auch bereit, mehr Leistung zu bringen und hat bessere Ideen, die seine Firma voranbringen. Du hast sicherlich solche Mitarbeiter auch in deiner Firma. Was treibt solche Mitarbeiter voran, sich so unermüdlich für deine Firma einzusetzen? Ein hohes Gehalt? Ein lukratives Dienstauto (auch zur Privatnutzung)? Ja, diese Faktoren spielen sicher eine Rolle – aber keine große. Lt. Global Talent Monitor der Unternehmensberatung Gartner, der quartalsweise ermittelt, was Bewerbern und Mitarbeitern in ihrem Job besonders wichtig ist landet das Gehalt regelmäßig auf mittleren Plätzen! Wie ist denn das beste Unternehmen für Bewerber und Mitarbeiter? Einige Punkte sind für nahezu alle Bewerber und Mitarbeiter wichtig: eine Work-Life-Balance und flexible Arbeitszeit und ein passendes Gehalt. All das ist noch relativ einfach zu organisieren. Tiefer geht es bei Dingen wie: konstruktive Feedbackkultur, Wertschätzung, Anerkennung und Respekt sowie die Möglichkeit für eigenverantwortliches Arbeiten. Diese Punkte sind Teil der Unternehmenskultur, die eng mit der Arbeitgeberattraktivität zusammenhängt. Dies muss von innen heraus wachsen.

Natürlich können Incentives die Mitarbeiterbindungswirkung gezielt stärken. Incentives sind wörtlich gesprochen Anreize, die in verschiedenen Formen angeboten werden können, vom Erlebnisgutschein bis zum Sabbatical. Die Idee dahinter: Geld allein macht nicht glücklich, auch wenn das Gehalt hoch, die Prämie üppig und der Dienstwagen lukrativ ist. Viel mehr Leistung bringen die Top-Mitarbeiter dadurch nicht unbedingt. Anders sieht das bei Incentives aus, die deine Mitarbeiter mit ganz anderen Mitteln glücklich machen. Dazu können zum Beispiel diese sein:

  • Essensgutscheine
  • Homeoffice
  • Zusatzurlaub
  • Freiwillige Jubiläumsgeschenke (nicht tarifvertraglich oder kollektivvertraglich vorgesehen)
  • Betriebliche Altersvorsorge
  • Mitarbeiterrabatte

Dass direkt nach der Einführung der mitarbeiterbindenden Maßnahmen die Umsätze ins Unermessliche steigen und die Fluktuationsrate sofort sinkt, ist ein Trugschluss. Geduld ist hier angesagt, denn solche Maßnahmen wirken langfristig. Sie haben keinen Einfluss auf den direkten wirtschaftlichen Erfolg, doch sie binden die Mitarbeiter an deine Firma und steigern die Zufriedenheit. Und so wird letztendlich mehr und bessere Leistung gebracht.

Fluktuationskosten sind gewinnvernichtend!

Jeder weiß, dass hohe Fluktuationsrate ein klares Indiz für eine schlechte Mitarbeiterbindung ist und die damit verbundenen Fluktuationskosten gewinnvernichtend sind. Wie hoch diese Kosten allerdings, auch wenn nur ansatzweise oder richtwertmäßig, aussehen, hinterfragt nicht jedes Unternehmen.

Dafür habe ich eine Berechnung erstellt, welche meiner Meinung nach beim jeden Austritt mit berücksichtigt werden soll, damit du als Unternehmer oder Personaler zumindest ansatzweise das Gefühl bekommst, was dein Unternehmen „latent“ durch die Fluktuation zusätzlich leisten muss.

Das folgende Rechenbeispiel dient als für die Berechnung der Echtkosten einer ungewollten Fluktuation. Sie erhebt keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit. Beispielsweise sind Kosten für mögliche Kundenverluste nicht enthalten, da diese nur schwer zu erheben sind. Ebenso wurden die Sonderzahlungen nicht berücksichtigt.

Angenommen: Ein neuer Mitarbeiter tritt per 01.01.2021 ein. Er verdient € 2.000 brutto monatlich, zzgl. Lohnnebenkosten (ca. 30% in Österreich und ca. 22% in Deutschland) liegt die gesamten monatlichen Personal(fix)kosten bei € 2.600 (in Österreich) und € 2.440 (in Deutschland). Dieser Mitarbeiter hat eine einmonatige Kündigungsfrist. Am 15.05.2021 wird das Arbeitsverhältnis aufgelöst, d.h. der Kündigungsausspruch liegt mindestens 1 Monat vor dem 15.05.2021. Der Mitarbeiter hat gar keinen Urlaub bis Austritt in Anspruch genommen. Wie sehen die Gesamtkosten für diesen Abgang aus?

1. Kosten des ausscheidenden Mitarbeiters:

  • Auszuzahlende Urlaubstage: ca. € 1300 (11,5 Urlaubstage)
  • Erledigung der Formalitäten, d.h. die Erstellung von Kündigung oder Kündigungsbestätigung, Dienstzeugnis, Abmeldung etc.. Eine bearbeitende Person von deiner Personalabteilung kostet deiner Firma monatlich im Durchschnitt € 3.000 inkl. Lohnnebenkosten und investiert dafür ca. 1,5 – 2 Stunden. Dies lässt sich in Geld umrechnen und in diesem Fall ca. € 40.
  • Durch Jobsuche erbringt in der Regel der austretende Mitarbeiter vor der offiziellen Kündigungsbekanntgabe bereits eine Minderleistung. Im schlimmsten Fall meldet sich der austretende Mitarbeiter krank und du als Unternehmer hat dann die ganzen Ausfallkosten zu übernehmen. Für das vorliegende Rechenbeispiel wird eine Annahme über abnehmende Leistung von 50% getroffen. Daraus ergibt sich das Halbmonatsgehalt inkl. Lohnnebenkosten in Höhe von ca. € 1.200.

2. Kosten für Neubesetzung: Für die Fachabteilung bedeutet dieser Mitarbeiterwechsel die Abstimmung mit der Personalabteilung für die Suche eines Nachfolgers, das Sichten von Bewerbungsunterlagen und Zeitaufwand für die Bewerbungsgespräche. Je nach Höhe des Verdienstes des Abteilungsleiters variieren diese Kosten. Erfahrung aus der Praxis zeigt, dass du mit ca. € 400 rechnen kannst.

3. Kosten für Einarbeitung: Im besten Fall findest du einen Nachfolger, der sofort einsatzfähig ist. In der Regel benötigt ein neuer Mitarbeiter jedoch eine Einschulungsphase von ca. 3 Monaten. Während der Einschulung erbringt der neue Mitarbeiter keine 100%ige Arbeitsleistung. Operativ ist er auf die Hilfe anderer Mitarbeiter angewiesen. Dieses „langsame Arbeiten am Beginn“ und der Zeitaufwand für die Einschulung des neuen Mitarbeiters durch einen erfahrenen Mitarbeiter lassen sich in Kosten ausdrucken: € 3.000

Die Gesamtkosten durch diese Fluktuation bzw. den Personalwechsel belaufen sich auf etwa € 5.940. Die gezahlten Gehälter des ausscheidenden Mitarbeiters über die Dauer vom Eintritt bis Austritt sind nicht mit eingerechnet. Sehr teuer ist die Fluktuation, nicht wahr?

Daher lohnt sich eine Investition in Mitarbeiterbindung fast immer!